Das Licht in einem dunklen Haus by Jan Costin Wagner

Das Licht in einem dunklen Haus by Jan Costin Wagner

Autor:Jan Costin Wagner
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783462304855
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2011-09-14T14:35:27+00:00


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50

Kimmo Joentaa stand auf wackligen Beinen und fragte sich, ob das wirklich Westerberg war.

Er hatte den Tag verschlafen. Er hatte sich in der Klinik noch einige Namen und Adressen geben lassen. Angehörige von Anita-Liisa Koponen. Dann war er nach Karjasaari gefahren, auf der schmalen, langen Straße, die über das Wasser führte.

Er hatte das Elternhaus von Anita-Liisa Koponen ausfindig gemacht, das gepflegt, aber verlassen unter einer blassen Sonne am Waldrand gestanden hatte. Danach war er zur Schule gefahren.

Eine freundliche Sekretärin hatte einige Minuten lang in Unterlagen geblättert und abschließend befürchtet, dass der Name einer Aushilfslehrerin, die vor mehr als zwanzig Jahren nur einen Sommer lang da gewesen war, schwer ausfindig zu machen sei. Aber sie hatte versprochen, sich zu melden, falls sie fündig wurde oder jemanden fand, der weiterhelfen könne.

Er hatte sich anschließend im einzigen Hotel am Ort eingemietet, hatte eine Weile mit dem Laptop auf dem Schoß auf dem Bett gesessen, ohne eine Nachricht von Larissa zu erhalten, hatte Sundström darüber in Kenntnis gesetzt, dass er in Karjasaari ermittle – »Wo? Was?«, hatte Sundström erwidert – und war schließlich gegen Nachmittag in seinem Hotelzimmer, Sekunden nachdem er endlich den Kopf auf das Kissen gelegt hatte, eingeschlafen. Und jetzt fragte er sich vage, ob er noch immer träumte.

»Kimmo«, sagte Westerberg.

»Marko«, sagte Joentaa. Er freute sich, ihn zu sehen. Ein Mensch, an den er lange nicht gedacht hatte und der ihm dennoch sofort vertraut war. Er hatte den beiden, Westerberg und seinem Kollegen, eine Weile zugehört, während sie über Namen gesprochen hatten, falsche und richtige, und Westerberg hatte den Spielautomaten mit Münzen gefüttert, ohne sich auf das Spiel zu konzentrieren.

Falsche Namen, richtige Namen. Die gewählte Rufnummer ist nicht vergeben. Während Westerberg ihm seinen jungen Kollegen Seppo vorstellte, begriff Joentaa, was ihn am Anblick Westerbergs so gefreut hatte. Einem Menschen zu begegnen, mit dem man nicht rechnet. Der überall hätte sein können, aber genau hier war, in diesem dunklen Hotel, an diesem Spielautomaten.

Er dachte an den Schlüssel unter dem Apfelbaum, an das Licht hinter den Fenstern.

Er setzte sich an den Tisch, an dem Seppo bereits saß und der bedeckt war von Aktenordnern, die denen ähnelten, in denen Joentaa in der Nacht zuvor geblättert hatte. 2711 Hinweise. Engel. Teufel.

»Schön, dich zu sehen«, sagte Westerberg.

»Ja«, sagte Joentaa, und Seppo fragte, ob er Kaffee trinken wolle und deutete auf eine weiße Kanne.

»Gibt’s auch Tee?«, fragte Joentaa.

»Äh …«

»Ich war eigentlich runtergekommen, um mir einen Tee zu machen«, sagte Joentaa. Er stand auf, aber Westerberg kam ihm zuvor.

»Kommt sofort«, sagte er. »Ich mach dir einen.«

»Kamille«, sagte Joentaa.

Nach wenigen Minuten kehrte Westerberg zurück, stellte behutsam die Tasse vor Joentaa ab, im angrenzenden Restaurant begann eine Liveband, Tango zu spielen, und es war Seppo, der schließlich nach einiger Zeit des Schweigens die naheliegende Frage stellte. »Wenn du also … äh … auch Polizist bist«, sagte er.

Joentaa nickte. Die getragene Musik drang gedämpft in den weiten Frühstückssaal, in dem sie saßen, und Joentaa spürte einen merkwürdig weichen, fast angenehmen Schmerz hinter der Stirn.

»Was machen wir dann eigentlich alle hier?«, fragte Seppo.

»Tja«, sagte Westerberg.



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